Es gab eine Zeit, in der meine Morgen ein erschöpfendes Chaos waren. Mein Geist raste schneller als ich laufen konnte, gefangen in Angstgefühlen, noch bevor die Sonne aufging. Es war nicht nur der alltägliche Stress, Familie, Arbeit und die Herausforderungen der Perimenopause unter einen Hut zu bringen. Ich befand mich in der Lebensmitte und kämpfte gleichzeitig darum, ADHS und eine generalisierte Angststörung (GAD) zu managen, Diagnosen, die ich erst 2022 erhielt. Diese Entdeckung kam nach meinem Übergang in eine strategischere Rolle bei der Arbeit und direkt nach der Pandemie, als ich den Fokus und die Klarheit brauchte, um meine Aufgaben zu bewältigen.
Die Quarantäne verstärkte meine Schwierigkeiten, mich zu konzentrieren. Ich hatte zwar immer schon mit einem rennenden Geist und neurotischen Sorgen zu kämpfen, konnte aber dennoch eine erfolgreiche Karriere als Texterin und unabhängige Autorin führen. Diesmal jedoch brachten meine Gedanken mich an den Rand der Verzweiflung. Ich suchte endlich Hilfe und fand Erleichterung, als ich verstand, was mit mir nicht stimmte. Ich erkannte, dass mein Aufschubverhalten nicht einfach faul oder uninteressiert bedeutete, sondern dass ich an einer tieferliegenden Problematik litt. Diese Erkenntnis kam jedoch mit einem Gefühl der Traurigkeit über die verpassten Chancen meiner jüngeren Jahre, die nun wie Jahre des ständigen inneren Kampfes schienen.
Trotz dieses Verständnisses konnte ich den Lärm in meinem Kopf noch lange nicht stillen. Meine Gedanken schossen wie Geschosse umher – von Arbeitsfristen über Sorgen um meine alternden Eltern bis hin zu den allgemeinen Sorgen um die Welt. Mein Geist hatte keinen Aus-Schalter, aber ich fand etwas Besseres: ein „Pause“-Knopf in Form meiner Make-up-Routine. Diese ist kein Schönheitsritual in Hollywood-Manier, sondern eine beruhigende Praxis, die mir hilft, den Tag sinnvoll zu beginnen und mich zu zentrieren.
An Tagen, an denen ich ins Büro pendle, stehe ich zwischen 3:30 und 4:00 Uhr auf – ja, es klingt absurd, aber es funktioniert für mich. Ich genieße ein Glas Kokoswasser, schalte meine Lieblingsserie ein und versinke in der beruhigenden Rhythmik meiner Morgenroutine. Diese gewohnte Praxis schafft mir Raum für Besinnung und reduziert meine Ängste. Die Bedeutung eines strukturierten Morgens zeigt sich auch in wissenschaftlichen Studien, die belegen, dass Rituale den Stress verringern und die Leistung steigern.
Ich beginne mit der Hautpflege, weil alles mit einer guten Grundlage beginnt. Das Auftragen von Feuchtigkeitsserum beschleunigt den Prozess der mentalen Entschleunigung. Dr. Ingrid Clayton, eine Expertin für psychische Gesundheit, erklärt, dass der Umgang mit Hautprodukten therapeutisch sein kann, um eine Verbindung zu sich selbst herzustellen. Diese Berührung, ähnlich der zwischen Eltern und Neugeborenen, kann Stresssymptome lindern und eine beruhigende Wirkung entfalten.
Im Verlauf meiner Routine fühle ich, wie die Handlung des Schminkens, besonders das präzise Auftragen des Eyeliners, mein Inneres beruhigt und mich in den Moment zurückholt. Letztendlich ist das Make-up nicht nur eine äußere Verkleidung, sondern ein kraftvolles Statement: „Ich bin bereit, mich dem Chaos zu stellen.“ Obwohl nicht jeder Tag perfekt ist und ich weiterhin Herausforderungen mit ADHS und GAD habe, gibt mir diese kleine, persönliche Auszeit Kraft und Frieden, um den Tag zu meistern.
Trotz aller Schwierigkeiten hat mir diese Routine eine wertvolle Zeit für mich selbst geschaffen, ein Moment der Stille und des Selbstbewusstseins in einem oft chaotischen Leben. Makeup hat zwar meine Ängste nicht komplett beseitigt, aber es hat einen Raum für Kreativität und Ruhe eröffnet. Diese Momente der Besinnung sind nicht nur wichtig für meine Seele, sondern haben auch dazu beigetragen, meine Produktivität zu steigern und meine Fähigkeit, das Leben in schwierigen Zeiten zu genießen.